28 März 2015

H.P. Lovecraft: Die Berge des Wahnsinns ("At the Mountains of Madness")




Mit 13, 14 Jahren suchte ich den “ultimativen Thrill”. Damals fragte ich mich, ob es wohl Bücher gibt, die einen das Gruseln lehren können. Ein Freund empfahl John Sinclair. Das war ganz nett, aber auch etwas plump. Stephen King war dann die nächste Stufe, aber auch hier war das Grauen relativ - so richtig gegruselt hatte ich mich nur an einigen Stellen weniger seiner Bücher (z.B. “Friedhof der Kuscheltiere”).


Dann entdeckte ich - eher durch einen Zufall - H.P. Lovecraft in der Stadtbibliothek Böblingen - und war sofort fasziniert. Natürlich noch auf Deutsch lass ich alles, was ich in die Finger bekam - viele Kurzgeschichten und, auf gruslig-grünem Papier gedruckt, die “Berge des Wahnsinns”. Tiefe Eindrücke hat Lovecraft hinterlassen, ohne Zweifel. Aber gelesen habe ich ihn seit meinen Jugendjahren nicht mehr (mit 17 las ich Hermann Hesse’s “Siddharta”, gefolgt von Yogananda’s “Autobiographie eines Yogis” und damit waren die Weichen gelegt für eine ganz andere Interessensrichtung in meinem Leben, die mich bis nach Japan und zur Japanologie führte. Doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden…).

Jahre vergingen, und ich konnte mich nur noch vage an die Details der Novelle erinnern. Was blieb, war die Erinnerung an unbestimmtes Grauen in der Antarktis, an Geheimnisse im Eis unter den Bergen, dass am Besten ungestört bleiben sollte, und an die Winzigkeit des Menschen und seiner Ambitionen im Angesicht der Elemente und der chaotischen, kalten Ewigkeit - kurz, des typisch “lovecraftianischen, kosmischen Grauens”.

Nun, 23 Jahre später, las ich Lovecraft zum ersten Mal wieder, und zum ersten Mal auf Englisch.

Die Ausgabe, auf der diese Rezension basiert, ist die 1974 erschiene Version im Panther Verlag “At the Mountains of Madness and other novels of terror” und enthält neben der Namensgebenden Novelle auch “The Dreams in the Witch-House” sowie die Kurzgeschichten und Novelle rund um den Lovecraft Alter-Ego Randolph Carter (“The Statement of Randolph Carter”, “The dream-quest of Unknown Kadath”, “The Silver Key” und “Through the Gate of the Silver Key”).

Man kann also sagen, dass es sich bei diesem Buch um eine ganz spezielle Sammlung an Lovecraft-Geschichten handelt - zentral ist hier einerseits sein “kosmisches Grauen”, aber betont wird - vor allem in den Randolph-Carter-Geschichten und den “Träumen im Hexenhaus” - die Traumreisen-Seite seines Schaffens.
Die “Berge des Wahnsinns” wiederum schaffen es auf eindrückliche Art, eine ganz bestimmte Art des “Grauens” im Leser herauf zu beschwören, ohne auf billige Schock- und klassische Horror-Effekte zu bauen. Hier wird wenig getötet und wenn “gemetzelt”, dann im rein wissenschaftlichen Sinn des “sezierens”.

Das “Grauen” jedoch kommt in zweierlei Form.

Zum Einen ist es das Grauen des Gelehrten, der, ausgestattet mit dem Schulwissen vom Alter und der Entwicklung der Welt und der Arten, in der Antarktis mit Dingen konfrontiert wird, welche die komplette “moderne” Wissenschaft (des frühen 20. Jahrhunderts!) und unsere Sicht auf das Alter der Welt und der Zivilisation auf den Kopf stellen. Mehr noch - das gesamte abendländische Menschenbild vom Mensch als “Krone der Schöpfung” wird karikiert und die Antarktis-Forscher mit einem Grauen aus der Vorzeit konfrontiert, dass sich als lebendiger herausstellt, als sich ein Paläontologe träumen lässt. Keine Lektüre für bibeltreue Christen. Hier etabliert sich Lovecraft wahrhaft als Urahn und von Grauensvisionen à la “Alien” (bzw. des ganzen Alien-Predator Franchise)

Zum Anderen ist es ein Grauen, dass bislang in Lovecraft-Rezensionen noch nicht explizit erwähnt wurde: im Grunde sind viele seiner Horror-Geschichten geprägt vom “Terror der Natur”. Gewiss, das “kosmische Grauen” ist Teil jeder Lovecraft-Biographie, jedoch liegt hier der Schwerpunkt oft auf den Andeutungen seiner Geschichten, dass mächtige und uralte Wesen aus den Tiefen des Alls auf die Erde kamen, lange bevor die Menschen sich evolutionär von den Bäumen in die Steppe entwickelt hatten; ja, in manchen Geschichten schwingt die Andeutung mit, wir seien letztlich eine Fortentwicklung von ehemaligen Sklaven-Rassen, welche von diesen alten Wesen künstlich geschaffen wurden.

Diesmal ist mir beim Lesen der “Berge des Wahnsinns” aber deutlicher als jemals zuvor aufgefallen, dass es diesen “konstruierten” Part gar nicht braucht, um ein Gefühl des Grauens beim Leser aufkommen zu lassen - das ist immer noch reines Kopfkino. Lovecraft schafft es auf die ihm eigene Art, dass die Berge, das endlose und ewige Eis, die schiere Mächtigkeit und Größe, und vor allem die Leere und Einsamkeit der Landschaft Haupträger des Grauens wird.

Dies wird natürlich bei einer Geschichte wie den “Bergen des Wahnsinns” besonders deutlich, jedoch ist es mir danach bei sehr vielen seiner anderen, in Neuengland spielenden Stories, auch aufgefallen. Dort sind es dann eher die sehr großen und einsamen Wälder, die als Träger von Furcht, Schrecken und Grauen fungieren. Lovecraft setzt dann hier und da noch Akzente durch Andeutungen “uralten Grauens” - und fertig ist die Gruselgeschichte.

Eigentlich simpel, aber vor allem auf Englisch ist mir dann nochmal aufgefallen, welche farbenreiche Adjektive er doch nutzt, um seine Geschichten klar aus der Sphäre des Alltags zu heben und seine Leser so sehr effektiv in eine andere, halt in die lovecraftianische, Dimension zu befördern.

1 Kommentar:

  1. Ich habe in all den Jahren seit der ersten Empfehlung doch Lovecraft einmal zu lesen, immer wieder in seine Bücher und Geschichten geschaut. Natürlich hat sich das Verständnis und die Auffassung seiner bildhaften Worte gewandelt. Die Faszination und das leichte Grauen, sind aber auch nach all den Jahren und auf Deutsch geblieben. Sehr nett fand ich auch immer die in Neu-England spielenden Werke in denen er eine Landschaft und seine Bewohner als beinahe verderblich, verflucht und irgendwie grotesque beschreibt.

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